Im Kirchenbezirk Kaiserslautern stehen die Zeichen auf Erneuerung: Angesichts von Pfarrstellenabbau, zurückgehenden Kirchenmitgliederzahlen, Einsparzwängen und zugleich wachsendem Arbeitsvolumen wollen die Protestanten ihre Zukunft nicht dem Zufall überlassen. Sie setzen auf neue Gemeindestrukturen und – vor allem – auf Teamarbeit. „Pfarrerinnen und Pfarrer dürfen nicht länger Einzelkämpfer sein“, sagt Karl Graupeter. Er ist Seelsorger an der Kaiserslauterer Pauluskirchengemeinde und hat den Prozess „Zukunft mit Struktur“ im Kirchenbezirk mit der damaligen Dekanin Dorothee Wüst und dem Vorsitzenden der Bezirkssynode, Hermann Lorenz, mit angestoßen. Zielmarke ist die bis 2025 umzusetzende Pfarrstellenbudgetplanung der Landeskirche. Im Kirchenbezirk Kaiserslautern fallen drei Pfarrstellen weg.
Wenn Graupeter und Dekan Richard Hackländer von „Zukunft“ sprechen, haben sie indes auch die Zeit nach 2025 im Blick. „Die Pfarrstellen werden weiter zurückgehen, und wir werden weniger.“ Beide appellieren, die kommenden Jahre für einen Strukturwandel zu nutzen. Ihr Credo: Teamarbeit von Anfang an, die Menschen in den Gemeinden solidarisch und fair bei der Prozessentwicklung mitnehmen. „Wir wollen keine Verwirrung stiften. Wir haben Zeit, das Projekt in Ruhe zu planen. Die Kirchengemeinden sind und bleiben souverän.“
In Sachen Gemeindeberatung und Organisationsentwicklung haben sich die Initiatoren Fachverstand eingeholt: Die damalige juristische Referentin und heutige Oberkirchenrätin der pfälzischen Landeskirche, Bettina Wilhelm, und Pfarrer Frank Löwe, der als externer Prozessbegleiter von der Organisationsberatung der Evangelischen Kirche in Baden kommt. „Alle Beteiligten in Kaiserslautern sind hoch engagiert und haben den Mut, bisher Vertrautes neu zu denken. So werden sie es schaffen, den Kirchenbezirk Kaiserlautern für die Zukunft gut aufzustellen“, ist Wilhelm überzeugt und Löwe fügt an: „Und dabei sollen Menschennähe, Eigenverantwortlichkeit, professionelles Miteinander und vielfältige kirchliche Angebote nicht auf der Strecke bleiben – im Gegenteil.“
Seit 2020 ist das Projekt „Zukunft mit Struktur“ offiziell LabORAtorium und somit Teil der „Erprobungsräume“ der Evangelischen Kirche der Pfalz. Nach Corona bedingter Zwangspause soll der Prozess nun wieder Fahrt aufnehmen. Dazu haben Haupt- und Nebenamtliche bei einem digitalen Treffen ein „Konsenspapier“ zu den Schwerpunkten Gemeindestruktur, Teamarbeit, Verwaltung und Gebäude erarbeitet, mit dem nun bei der Bezirkssynode, im Pfarrkonvent und vor Ort in den Gemeinden für das Projekt geworben werden soll, erklärt Hackländer. In dem Papier heißt es u.a., dass künftig im Kirchenbezirk „in größeren Räumen“ und mit „multiprofessionellen Gesamtteams“ zusammengearbeitet werden könnte. Zunächst sei an drei bis vier Regionen für den ganzen Kirchenbezirk gedacht mit der Perspektive zusammenzuwachsen. Als späteres Ziel sei vorstellbar, dass der Kirchenbezirk – zumindest der Bereich der Stadt Kaiserslautern – auch als eine einzige Kirchengemeinde organisiert sei. Innerhalb dieser zukünftigen Kirchengemeinden könne es eigene Seelsorgebezirke geben, die sich an den alten Kirchengemeinden orientieren.
Die Aufgaben innerhalb der Teams sollten gabenorientiert, aber mit klaren Zuständigkeiten verteilt werden, z. B. für die Seelsorgebezirke und für allgemeine Aufgaben (Konfiarbeit, Kinder- und Jugendarbeit, Musik, Kitas, Schule usw.). In der Verwaltungsarbeit sollen professionelle, dafür ausgebildete Kräfte die Pfarrerinnen und Pfarrer entlasten. Mit der Geschäftsführung werde jeweils eine Person im multiprofessionellen Team beauftragt. Diese müsse kein Pfarrer sein. Eine ehrenamtliche Geschäftsführung sei denkbar.
Die Gebäude sollen im Eigentum der zukünftigen großen Kirchengemeinden bleiben, heißt es weiter. „Hier liegt auch die Kompetenz für wichtige Entscheidungen. Sie werden aber durch Verwaltungs- und Baufachleute auf der Ebene des Kirchenbezirkes unterstützt.“ Angesichts begrenzt vorhandener Mittel müssten Bauunterhaltung und –investition priorisiert werden. Beispielsweise sei zu prüfen, ob sich eine Kirche so umbauen lasse, dass das Gemeindehaus-Leben dort hineingeholt werden könne und das Gemeindehaus nicht mehr gebraucht werde – oder umgekehrt. Auf den Prüfstand komme die multifunktionale Nutzbarkeit von Gebäuden, so dass zum Beispiel von einer ehemaligen Gemeinde die Kirche, von einer anderen das Gemeindehaus erhalten werden könne. Im städtischen Bereich sollen die kirchlichen Orte inhaltlich zu sogenannten „Schwerpunktkirchen“ profiliert werden. Bisherige Kooperationszonen könnten beibehalten oder zusammengefügt werden, „sie sind ja nicht aus Beton gegossen“, meint Hackländer. Und fügt an: „Wir ändern unsere Arbeitskultur und damit auch unser Verständnis von Kirche.“ Text: Christine Keßler-Papin
Unter anderem die Idee mit der Nutzung der Kirchen als Gemeindehäuser, sei es ganz oder multifunktional genutzt, finde ich wunderbar. Das war oft mein Gedanke. Kirchen sind so herrliche Gebäude, Orte und Räume, die meines Erachtens zu wenig Nutzen und im Alltag auch zu wenig Beachtung finden. Es wäre prima, wenn die Kirchengebäude selbst als dauerhafte Orte der Begegnung, der Ruhe und des Gemeindelebens dienen. Sie sind „sichtbare Mittelpunkte“ in den Gemeinden und Stadtteilen, sie ziehen Menschen an. Warum nicht auch neben Gottesdiensten offene Türen, interessante Angebote und Begegnungsräume? Wenn die Kirche als Gebäude mehr in den Alltag der Menschen rückt, dann ist das ein guter Weg Kirche und Glauben ebenfalls gesellschaftsfähiger für die Zukunft zu machen.
„Sichtbare Mittelpunkte des Gemeindelebens“ ist ein schönes Bild für die Nutzung unserer Gebäude!
Ob es nur Kirchen und Gemeindehäuser sind oder vielleicht auch Räume sind, die wir bei uns von Kommunen und Vereinen leihen.
An dieser Stelle Ideen und Erprobungsräume zu entwickeln, wie es zu Begegnungen unter Menschen und natürlich auch mit Gott kommen kann, ist mit Sicherheit eine Aufgabe für die Zukunft!