Vor wenigen Tagen bin ich umgezogen. Mit Haus und Hof, wie man so schön sagt, also mit Sack und Pack und der gesamten fünfköpfigen Familie. Da gab es im Vorfeld einiges zu packen, denn im Laufe der Jahre sammelt sich vieles an – vor allem, wenn man bis dato einen großen Keller hatte, in dem allerhand abgestellt werden konnte. Der Umzug war für mich eine Art Entdeckungsreise, beim Einpacken ebenso wie jetzt im neuen Zuhause beim Auspacken.

Beim Einpacken fielen mir Dinge in die Hände, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie noch hatte. Beispielsweise meine alten Mathearbeiten aus der 12. Klasse (nicht weiter der Rede wert…), das verlorengeglaubte Mützchen zum Taufkleid unserer Kinder oder die alte blecherne Teekanne von der Uroma. Ich sortierte und wählte aus, verabschiedete mich von manchem, fand für Dinge neue Besitzer, entschied mich aber auch für eine „Schätze-Kiste“ mit Erinnerungen.

Bei manchen Dingen war die Entscheidung schwer: Was zum Beispiel tun mit der alten Geige, die seit vielen Jahren im Geigenkasten ihr Dasein fristete und unbeachtet zwischen den Kisten stand? Weggeben kam nicht in Frage, aber sie einfach wieder in eine Ecke stellen auch nicht. Also erstmal mit umziehen lassen und dann neu überlegen.

Neu überlegen. Nicht alles Alte mit sich rumschleppen. Aber auch nicht alles Alte gleich auf- und weggeben. Klar, von manchem Alten mussten wir uns trennen – einfach, weil es in das  neue Zuhause nicht hineinpasste, wie z.B. die Einbauküche. Aber für anderes konnte sich vielleicht eine neue Verwendung finden oder sogar ein Wiederaufleben.

Der Umzugshelfer hat die Geige vorsichtig und behutsam ins neue Haus getragen und mich gefragt „Wohin mit dem guten Stück?“ „Flur oben“, antwortete ich, denn im „Flur oben“ sammelte sich all das, was einen neuen Ort brauchte und dessen Verwendung noch nicht ganz klar war.

Als alle Umzugswagen leer- und das neue Haus vollgeräumt ist, gehe in den Flur nach oben. Da liegt sie nun also, die Geige meines Großvaters. Auf dem Kasten klebt noch immer der Aufkleber mit der Friedenstaube, Erinnerung an meine Sorge als Jugendliche angesichts der Zustimmung des Bundestags zum damaligen Nato-Doppelbeschluss. Vorsichtig hebe ich das Instrument heraus. Die Geige ist bespannt mit allen vier Saiten, der Bogen liegt dabei. Ich setze sie an – aber: sie lässt sich nicht stimmen. Der Wirbel der G-Saite will einfach nicht halten. Schade – bevor ich also direkt losspielen kann, muss ich nun erstmal jemanden fragen, der sich damit auskennt und mir hilft.

Aber eines ist schon jetzt klar: Die Geige soll nicht wieder im Kasten verschwinden. Sie liegt nun dekorativ in einem Regal und macht mir Mut und Lust, das Spielen auf ihr demnächst mal wieder anzugehen.

Warum ich diese Gedanken hier auf der LabORAtorien-Seite teile? Weil es auch ohne Umzüge sicher nicht schlecht ist, manchmal zu schauen: was trage ich privat oder in der Gemeinde an alten Dingen mit mir herum?  Woran hänge ich, was ist mir wichtig – und wovon könnte man sich vielleicht trennen, weil es nicht mehr zu mir, zu uns passt? Und wo kann Altes geradezu Lust machen, Neues auszuprobieren?

Ich habe festgestellt: beides hat seinen Reiz und seine Berechtigung: für Altes eine neue Verwendung finden – und sich daneben auch ganz Neuem zuzuwenden.

In diesem Zusammenhang übrigens noch ein Wort zur Küche: Ja, ich gebe zu, der Abschied von ihr fiel uns schwer. Sie war ja „noch gut“, hatte viele Jahre mit uns verbracht, war schon einmal mit uns umgezogen, war unser Alltagsbegleiter mit ihrem Inventar, den Koch-Düften, den unzähligen Küchengesprächen und Begegnungen. Aber – ins neue Zuhause passte sie einfach nicht mehr. Ihre Zeit mit uns war vorbei. Das war schade – aber irgendwie auch schön. Denn es hat Freude gemacht, eine neue Küche zu planen. Etwas Neues zu beginnen mit neuen Ideen und frischem Mut. So findet sich nun beides in unserem Zuhause: eine neue Küche und eine alte Geige. Und beides stimmt mich froh und zuversichtlich.