Bericht vom Werktag: „Eintauchen in die Zukunft der Kirche“ im Freischwimmer in Ludwigshafen

Von Vikar Dr. Ulrich Hofeditz

Der Eingang vom Freischwimmer

Der Eingang vom Freischwimmer. Foto: Kaufmann

An einem Samstagmorgen in einem Schwimmbad in Ludwigshafen. Hätten Sie nicht die Überschrift gelesen, wären Sie gedanklich wahrscheinlich anders abgebogen. Denn im Freischwimmer in Ludwigshafen, der  nun als Konferenzort genutzt wird, wurde nicht geschwommen, sondern die Besucher durften „Eintauchen in die Zukunft der Kirche“. So lautete der Titel, unter dem ein Werktag der Erprobungsräume am 7. Oktober stand fand.

Marc Seiwert hält die Andacht. Foto: Braun

Die interessierten Anwesenden wurden von den Organisatoren, den beiden Verantwortlichen für die Erprobungsräume im Landeskirchenrat, Katharina Jaehn und Tim Kaufmann, Martin Henniger vom „Freundeskreis Missionarische Dienste“ und Oberkirchenrätin Marianne Wagner begrüßt. Felix Goldinger, für Schon-jetzt und das Bistum Speyer unter den Veranstaltern, fehlte leider verletzungsbedingt. Den geistlichen Impuls setzte Marc Seiwert, der nach einem erfahrungsreichen Dienst in der elsässischen protestantischen Kirche die pfälzische Kirche berät und insbesondere im Dekanat Pirmasens engagiert ist.

 

 

Ambidextrie, die Beidhändigkeit, war das zentrale Stichwort, um welches der Hauptvortrag des Tages von Katharina Haubold kreiste. Die Religionspädagogin war bis vor kurzem beim Fresh X -Netzwerk beschäftigt und ist an der CVJM Hochschule in Kassel als Referentin tätig. Die rechte Hand sei die gewohnte Schreibhand für die meisten Menschen, so Haubold beim Eingangsexperiment, bei welchem die Teilnehmenden ihre Vision für die Kirche zunächst aufschreiben und dann noch einmal mit der anderen Hand wiederholen sollten. Mit dieser Hand war Schreiben für die meisten völlig ungewohnt.
Die Metapher der Beidhändigkeit entlehnte sich Haubold von der Organisationalen Ambidextrie, welche die Fähigkeit einer Organisation beschreibt, sowohl effizient als auch flexibel zu sein. Angewandt auf die Kirche bedeute dies auf der einen Seite „Nutzen und Optimieren, was bewährt ist“ (Exploitation) und auf der anderen Seite „Neues erkunden und entwickeln“ (Exploration). Somit wird ein Konflikt zwischen Altem und Traditionellem sowie Neuem und Innovativem vermieden. Die von Haubold vorgestellte Unterscheidung zwischen inkrementeller und radikaler Innovation ist eine entsprechende Weiterführung dieses Gedankens. Die inkrementelle Innovation entwickelt schon Bestehendes weiter. Hier kommt den Gemeinden und der Kirche ihr reicher Erfahrungsschatz zugute. Bei der radikalen Innovation wird etwas völlig Neues und bisher möglicherweise Ungedachtes ausprobiert, ein Feld des Experimentierens, des kreativen Erkundens eines potentiellen Weges, ohne dass ein Scheitern völlig ausgeschlossen werden könne.
Für Haubold ist die Ambidextrie nötig. Exploitation und Exploration sind in der Bewegung einer sequenziellen Ambidextrie, d.h. dass diese sich regelmäßig ablösen, essentiell. Somit braucht es Innovation, während gleichzeitig das Bewährte notwendig ist, um die Gemeinschaft zu stabilisieren.

Foto: Kaufmann

Immer wieder kam Haubold auf die Fragen „Was uns antreibt“ oder „Was der Auftrag der Kirche sei“ zu sprechen. Für Haubold, die selbst Anfang 2023 bei den beymeistern in Köln-Mülheim einen völlig anderen kirchlichen Dienst begonnen hat, bedeutete dies auch, dass der Auftrag der Kirche mit dem „Ruf, die Heimat zu verlassen“ verknüpft sei. Sie warb damit für eine missionale Haltung, die im Auftrag an die Kirche inkludiert sei und bedeute, die gewohnten Pfade zu verlassen sowie neue Wege zu gehen.

 

Am Nachmittag ging es bei dem „Markt der Unmöglichkeiten“ genau um diese neuen Wege im Bewährten. Viele Aktive präsentierten ihre Projekte, die sie in der pfälzischen Kirche verwirklichen:
Das Dietrich-Bonhoeffer-Zentrum stellte sich als die einzige etablierte Personalgemeinde der Pfalz vor. Das Projekt „Bleib dran“ aus Katzweiler arbeitet an der Schnittstelle von Konfirmanden- und Jugendarbeit und unterstützt durch kreative Arbeit die Jugendlichen, einen eigenen Ort in der Welt und in der Kirchengemeinde zu finden. Das Projekt „Kirche ohne Mauern“ bietet im gläsernen Hauptraum der Auferstehungskirche Speyer nicht nur einen Ort für evangelische Gottesdienste, sondern einen Ort der Spiritualität, in welchem neben traditionellen gemeindlichen Angeboten eine arabische Gemeinde und meditative Angebote einen Platz gefunden haben. Weiterhin waren der Erprobungsraum zur regionalen Kooperation aus dem Norden des Dekanats Pirmasens, die Familienkirche aus Landau, das Projekt „Zukunft mit Struktur“ aus Kaiserslautern, Kirche Kunterbunt, die Schon-jetzt Pionierhubs und das Laboratorium zum barrierefreien Gottesdienst aus dem Dekanat Frankenthal vertreten. Ebenso unterstützte der „Freundeskreis Missionarische Dienste“ aus Landau den Werktag und präsentierte sich mit einem Stand beim Markt der Unmöglichkeiten.

Vikar Dr. Ulrich Hofeditz im Gespräch mit den Pfarrern Walter Becker und Marc Seiwert über die „Regiozonen Pirmasens“.

Tatsächlich ließe sich zu jedem der genannten Projekte ein längerer Abschnitt schreiben. Auf dem Markt der Unmöglichkeiten waren die Beteiligten auskunftswillig, so dass es in der vorgegebenen Zeit kaum möglich war, allen LabORAtorien die ihnen angemessene Aufmerksamkeit zu geben. Vielleicht muss das auch gar nicht sein. Denn es war ein Zwischenstand und die Projekte gehen weiter. Daher, wenn Sie, wie ich, nicht alle Projekte geschafft haben oder möglicherweise gar nicht beim Werktag dabei waren, so gibt es Projekte bei Ihnen in der Region und sicherlich begeisterte Mitarbeitende, die sich darüber freuen, wenn Sie Interesse an ihren LabORAtorien haben.
Somit endete der Tag „Eintauchen in die Zukunft der Kirche“ im Freischwimmer in Ludwigshafen mit vielen positiven Eindrücken.

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Dr. Ulrich Hofeditz ist seit 2021 Vikar der Pfälzischen Kirche. Nach dem Gemeindevikariat in der Johanneskirche in Pirmasens ist er aktuell im Spezialvikariat beim MÖD in Landau. Er hat im Alten Testament promoviert und wird im Frühjahr 2024 das 2. Theologische Examen ablegen.