Raumpfleger & Raumfahrer

Wie sehr unsere Gesellschaft ihre Mobilität über ihr Wohlergehen stellt, lässt sich leicht erkennen, wenn man die Worte »fahren« und »pflegen« mit dem Begriff »Raum«, der uns ja alle umgibt und in dem wir versuchen uns zu tummeln, verbindet. Die »Raumfahrt« genießt unbestreitbar ein höheres Ansehen als die »Raumpflege«.

Dieses Zitat eines mir unbekannten Verfassers, das ich mir vor langen Jahren einmal gespeichert habe, beschäftig mich schon lange.
Vielleicht liegt es daran, dass durch die Corona- Pandemie das Thema „Wertschätzung der Pflege“ wieder an Fahrt gewonnen hat, dass mich auch dieses Thema wieder bewegt.

Playmobil-Astronaut

Playmobil-Astronautin Foto: Kaufmann

Die beiden Bilder von Raumfahrt und Raumpflege, die auf den ersten Blick doch nichts  miteinander zu tun haben, stehen sich provokant gegenüber.

Sofort haben wir Bilder im Kopf. Raumfahrer und Raumpfleger haben wir beide schon gesehen. Die einen im Film, in den Nachrichten, im Bilderbuch oder als Spielzeug, die anderen irgendwo auf dem Flur eines Gebäudes mit dem typischen Handwagen voller Putzmittel und Utensilien.

Während sich die Raumfahrt irgendwo weit weg im All abspielt, spielt sich die Raumpflege im Alltag ab. Während es für die Raumfahrt hochentwickelter Spezialisten mit speziellen Trainings bedarf, können und müssen wir die Raumpflege selbst regelmäßig durchführen. Andererseits liegt uns der Staub auf dem Schrank und auf dem Boden auch viel näher als der Staub von Mars und Mond, den der Astronaut erforscht. 

Playmobil Raumpflege

Foto: Kaufmann

Der Raumfahrer dringt, wie es im Vorspann von StarTrek heißt, „in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, während der Raumpfleger dahin vordringt, wo viele nicht hinsehen wollen, z.B. in die Abgründe des Sanitärbereichs.

Das eine verschlingt ungeheure Kosten und bringt viel Prestige, das andere wird schlecht bezahlt und häufig nicht anerkannt. Dennoch sind die Folgen fehlender Raumpflege schneller und deutlicher zu erkennen als das Fehlen eines Astronauten.

Doch was hat dieser Text nun mit den LabORAtorien, den Erprobungsräumen der Evangelischen Kirche der Pfalz, zu tun?

Ich glaube aber, dass wir beides brauchen, Raumfahrer und Raumpfleger…

Viele verbinden mit Erprobungsräumen, neuen Formen von Kirche und kirchlichen Pionieren immer das Neue und Außergewöhnliche, das Aufbrechen ins Unbekannte und den Mut zum Risiko. Ich glaube aber, dass wir beides brauchen, Raumfahrer und Raumpfleger. Wir brauchen Menschen, die dahin gehen, wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist, die Neues entdecken und ausprobieren und auch vor dem Fremden und Unbekannten keine Angst haben, aber wir brauchen auch diejenigen, die sich auf die Pflege von Räumen verstehen.

Nicht zum Putzen und Reinigen der Reste nach der erfolgreichen Erprobung im LabORAtorium, sondern als Fachkräfte für den Alltag.

Gerade wenn es darum geht, neue Formen von Kirche zu entdecken, braucht es Menschen, die sich im Raum vor Ort auskennen. Gerade in einer Kirche wie der unseren, in der sich das Leben in Orten abspielt, die auf  -heim, -bach, und -berg enden. Hier geht es um die Verankerung in einer Region, in einem Dorf, in einer Landschaft. Da sind es nicht die großen unbekannten Welten, die es zu entdecken gilt, sondern es gilt, das Neue im Vertrauten zu finden.

Da kommt es eher auf die Vernetzung der bekannten Menschen an als auf das Kennenlernen fremder Lebensformen. Da braucht es nicht den Szenetreff für eine bestimmte Subkultur, um Kirche zu bauen, sondern gemütliche Räume, in denen sich die begegnen können, die da sind und zum Teil schon immer da waren. 

Das heißt aber nicht, dass das weniger aufregend wäre oder es dabei weniger zu entdecken gäbe.

Ideal wäre es natürlich, wenn Menschen mit beiden Fähigkeiten zusammenkommen würden. Die eine, die Aufbrüche sucht und offen ist für alles Fremde und Unbekannte und der andere, der die Heimat liebt und das Gewohnte kennt. Aber was für den einen Leidenschaft und Herzenssache ist, ist für die andere oft angstbesetzt. Wo sich die eine wohlfühlt, erwacht im anderen der Fluchtinstinkt. Beide sehen die Welt aus so unterschiedlichen Perspektiven, dass Missverständnisse an der Tagesordnung sein werden.

„Kirche ist immer lokal, regional und persönlich.“

Hierin zeigt sich aber gerade die Notwenigkeit von beiden Persönlichkeitstypen. Die Kirche der Zukunft wird nicht überall gleich sein, so wie es die Kirche der Gegenwart und die Kirche der Vergangenheit auch nie waren. Kirche ist immer lokal, regional und persönlich – egal ob im Dorf, in der Stadt oder im Internet. Das kann man schon in den Paulusbriefen lesen, denn Philippi ist anders als Korinth und beide sind nicht Rom.  Neben Paulus, der durchs Land zog, Gemeinden gründete und Briefe schrieb, gab es auch immer die, die vor Ort blieben, Gemeinde lebten und die Briefe lasen. Ihre Namen sind uns höchstens in den Grußlisten am Ende der Briefe überliefert, ihre Bedeutung für die Kirche ist aber sicher mindestens so groß wie die des Apostels der Völker.

Und somit schließt sich der Kreis: die einen sind die gefeierten Helden, die Fachleute und Pioniere, die anderen arbeiten im Stillen und werden zu wenig beachtet.

Für die Kirche sind aber beide wichtig, die Pfleger wie die Fahrer!

Vielleicht gelingt es uns, die stillen Arbeiter und Arbeiterinnen im Hintergrund auch besser zu würdigen und wertzuschätzen. Vielleicht fangen wir damit an bei der nächsten Raumpflegerin oder dem nächsten Raumpfleger, der uns begegnet. 

Sicher ist aber, für die Gemeinde vor Ort und für die Kirche der Zukunft sind beide gleich wichtig!

Egal, ob Sie sich als Raumfahrer oder als Raumpfleger fühlen: Ihr Einsatz baut die Zukunft der Kirche in ORA und Labora. Vielen Dank dafür und weiterhin gesegnetes Schaffen!